Willkommen


Ich grüße Sie, liebe Gemeindemitglieder der SE Stuttgarter Madonna, sehr herzlich. Ab Anfang des neuen Jahres darf ich Ihr Pfarrer sein.
Manche Ihrer Pfarrer durfte ich – als Diakon in Neugereut und Steinhaldenfeldnoch persönlich kennenlernen, wie Joachim Schmitt, der mein Prinzipal war oder Hermann Veeser, der mein Beichtvater wurde. Es waren sehr engagierte Pfarrer, die hier – auf unterschiedliche Weise – wirkten. Auch die Gemeinden hatten sehr engagierte Mitglieder, die für das Reich Gottes brannten.
Bei meinen Besuchen, die ich zurzeit mache, lerne ich wieder viele Menschen kennen, die sich mit ganzem Herzen für ihre Gemeinden engagieren. Auch meine künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge und den Pfarrbüros gehören dazu – Gott sei Dank. Oft wurde ich schon herzlich begrüßt. Und so kann ich mich auf meine neue Aufgabe freuen. Ich entgegne Ihrem freundlichen Willkommen das meinige.
Wir sind als Kirche gemeinsam unterwegs. Es geht in unserer Arbeit zuerst und zuvorderst darum, dem kommenden Herrn Jesus ein „Willkommen“ zu entbieten. Das ist unsere erste Pflicht und Aufgabe, die darin besteht, Gott in dieser Welt ein Willkommen zu bieten. Wir begehen jetzt den Advent. Und feiern das „Willkommen“ der Kirche. Wir heißen – ob schon lange hier wohnhaft oder als Neubürger wie ich – Christus willkommen. Und dieses Wort hat in unserem Kontext eine doppelte Bedeutung. Zuerst das Willkommen des verborgen in dieser Welt lebenden Gottessohnes, dann aber auch das „Willkommen“ bei der sichtbaren Wiederkunft des Herrn.
Denn Jesus will kommen.
Besonders im Advent.
Dazu gibt es eine schöne Geschichte. Sie handelt von einem russischen Schuhmacher. Die will ich Ihnen jetzt erzählen.

Der Schuhmacher und Jesus
Es lebte einst in JuRussland ein Schuhmacher. Der hörte im Traum Jesus sagen: „Ich will zu Dir kommen. Morgen werde ich dich besuchen.“ Der Schuster freute sich darüber und bereitete alles für den unerwarteten und hohen Gast vor.
Am frühen Morgen ging er in die Werkstatt. Er wartete gespannt. Zunächst kam ein armer Mann. Der hatte keine rechten Schuhe an. Kein Problem für den Schuhmacher. Er reparierte das eine paar Schuhe und schenkte ihm gleich ein paar Neue dazu. Dazu ein paar Tassen warmen Tee. Denn der Winter in Russland ist sehr kalt. In der warmen Werkstatt des Schusters konnte der arme Mann sich gut aufwärmen. Dankbar verabschiedete er sich. Der Schuster wartete weiter. Dann kam der Vormittag. Eine Frau kam in den Laden. Die hatte Sorgen wegen ihres Sohnes. Der Schuster hörte geduldig zu. Und er merkte, dass er auch mal dieses Problem hatte. Und so riet er der Frau zur Geduld und zu bestimmten konkreten Schritten. Dankbar und erleichtert ging sie dann nach Hause. Der Schuster wartete weiter. Es begann zu dämmern. Denn die Tage des russischen Winters sind nicht nur kalt sondern auch kurz. Die Nacht brach früh herein. Der Schuster musste Licht machen. Dann kam wieder ein Besucher. Es war ein Witwer, der vor kurzem und viel zu früh seine Frau verloren hatte. Eigentlich wollte er keine Schuhe kaufen oder welche reparieren lassen. Doch hielt er es in seiner stillen Wohnung nicht mehr aus. Als er das Licht beim Schuhmacher sah, kam er deshalb auf einen Besuch herein. Er freute sich über den gastfreundlichen Handwerker. Der nicht nur werkelte, sondern ihm einen Platz am Ofen und einen warmen Tee anbot. Was dem Witwer aber am meisten gut tat, war das offene Ohr des Gastgebers. Der hörte sich geduldig die lange Krankengeschichte seiner Frau an und unterbrach ihn nicht, als er bis zum bitteren Ende erzählte. Das tat dem Witwer gut. Am Schluss des Gespräches versicherte der Schuhmacher dem Witwer, dass er für seine Frau beten und sie in guter Erinnerung halten werde, aber auch, dass er jederzeit wieder kommen dürfe. Der Mann ging dankbar- mit Tränen in den Augen.
Nun war es aber endgültig Nacht geworden. Der Schuster wartete und arbeitete noch ein paar Stunden. Als es dann schon fast auf Mitternacht zuging, beschloss er, den Laden zu schließen und ins Bett zu gehen. Ein wenig enttäuscht war er schon. Hatte ihm doch Jesus versprochen, ihn zu besuchen. Und er wollte ihn willkommen heißen.
Im Traum erschien ihm Jesus. Da beklagte er sich: „Herr- Du hast mir versprochen, mich zu besuchen. Und du bist nicht gekommenwas war los?“. Doch der Herr antwortete: „Mein Lieber- ich habe Dich doch besucht. Und gleich dreimal. Zuerst als Bettler, dann als Mutter und schließlich als Witwer. Und immer hast Du mich gut willkommen geheißen und mich durch Schuhe, Tee und Anteilnahme bestens aufgenommen. Dafür danke ich Dir sehr herzlich. Und ich werde Dich einmal willkommen heißen in meinem Reich.“ Glücklich und beruhigt schlief der Schuster dann weiter.


Advent ist die Zeit, wo es uns geht wie dem Schuhmacher. Wir warten, warten auf Jesus. Es ist gewissermaßen der Probealarm auf die endgültige Wiederkunft des Herrn. Wann Jesus endlich einmal sichtbar wiederkommt wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass er sicher kommen wird. Denn er hat es uns fest versprochen. In der Zwischenzeit kommt er viele Male, in unzähligen Gestalten. Wir haben eigentlich jeden Tag Gelegenheit, Jesus willkommen zu heißen. Selig, wer wie der Schuhmacher bereit ist und freundlich willkommen heißt. In der Gestalt des Bruders oder der Schwester können wir Jesus begegnen und als christliche Gemeinde dem Herrn die Wege bereiten. Aber Jesus kommt manchmal – oder vielleicht sogar öfter – „undercover“ – in der Gestalt des Fremden. Und auch in diesen lebt Jesus.
Ich bin sehr dankbar für Ihr herzliches Willkommen. Ich habe es gut. Und ich freue mich auf Sie.
In meinem Fall ist die Ankunft sehr undramatisch verlaufen. Unser Bischof hat mich zu Ihnen geschickt. Es gibt aber auch Menschen, die von weniger freundlichen „Herren“ geschickt wurden: Von der Armut, von der Not, von dem Krieg, dem Terror und der Gewalt. Es hat mich tatsächlich verwundert, als ich nach zwei Jahrzehnten wieder diese Gemeinden besuchte, wie viele augenscheinlich Fremde nun hier wohnen.
Die Welt hat sich wirklich sehr verändert seit den achtziger Jahren. Es sind Menschen da, die früher nicht hier waren. Manche haben deshalb Angst. Vor ihrer großen Zahl. Oder auch vor ihrer Religion.